Mahlzeit.
Das ist ein sehr heikles Thema und ich halte mich da mit wertenden Beurteilungen bzgl. „gut“ und „böse“ auch sehr zurück, da mir das tiefere Hintergrundwissen aus Sicht des Herstellers BOSCH auf der einen und der Fachhändler auf der anderen Seite fehlt.
Trotzdem möchte ich ein paar Dinge einwerfen, über die nachgedacht werden sollte und die eventuell, die teils sehr emotional geschriebenen Beiträge hier, wieder auf eine sachliche Ebene zurückführen helfen.
Und um noch eins voran zu stellen: Auch wenn das hier das Blaue BOSCH-Forum ist, wo wir nach Möglichkeit auf politische Dinge völlig verzichten, läßt sich diese Zurückhaltung bei diesem Thema nicht ganz anwenden….ich bitte also um Nachsicht, wenn ich dies, zum besseren, allgemeinen Verständnis, streifen muß.
Fakt ist aus
meiner Sicht, als kleiner Handwerker ohne betriebswirtschaftliches Studium, eins:
Wir stehen (seit dem Aufkommen des Internethandels) an einer, für jeden Menschen nun auch „am eigenen Leib“ spür- und erlebbaren Zeitenwende.
Begonnen hat dieser Prozeß aber bereits mit der Massenherstellung und Anwendung von Computern und Industrierobotern, zur Mitte der 1970/Anfang der 1980er Jahre, nur haben wir
„einfachen Leute“, dies da noch nicht so richtig gemerkt, für voll genommen und schon gar nicht verstanden.
Wir haben sicher eine Art nebulöse Veränderung gespürt, aber in begreifende Worte konnten wir es noch nicht fassen.
Das Wort „Zeitenwende“ mag manchem sehr hochtrabend erscheinen, aber als geschichtsbegeisterter und interessierter Mensch, sehe die Welt genau da… an einer Zeitenwende, vergleichbar mit der aufkommenden Industrialisierung um die Mitte des 19.Jahrhunderts, also um 1840/50 herum, als es zur Erfindung und Massennutzung der Dampfmaschine kam.
Das Industriezeitalter löste übrigens das Agrarzeitalter ab.
Ich könnte das Ganze jetzt noch ellenlang mit geschichtlichen Details beschreiben und ausschmücken, aber darüber kann sich jeder, den es interessiert, heutzutage selber ganz schnell im Internet informieren. „Früher“ ging man dazu leibhaftig in eine Bibliothek und lieh sich die entsprechende Fachliteratur in gedruckter Buchform aus.
Dieser Übergang vom Agrarzeitalter zum Industriezeitalter ging nicht ohne gesellschaftliche Veränderungen/Verwerfungen ab, fand zwischen 1890/1910, mit einem wirtschaftlichen Boom, den ich gerne als 1.Globalisierung des jungen 20.Jahrhunderts bezeichne, einen Technik-gläubigen Höhepunkt und Aufschwung, von dem auch unser allseits geschätzter ROBERT BOSCH profitierte und endete, wie immer wenn man glaubt, Weltmärkte mit Gewalt neu aufteilen zu müssen, im ersten Weltkrieg (1914-1918).
Ein bis dahin undenkbares, grausames und blutiges Finale und Inferno, welches bis in unsere heutige Zeit nachwirkt.
Entgegen der, Jahrzehnte geltenden Lehrmeinung, allein das kaiserliche Deutschland hätte diesen Krieg zu verantworten, gilt heute unter allen international anerkannten Historikern als unbestritten, daß dieser 1.Weltkrieg viele Väter hatte, nämlich
alle damaligen, aufstrebenden Industrienationen, welche sich die Weltabsatzmärkte neu aufteilen wollten. Punkt.
Wir schreiben jetzt das Jahr 2016…vor gerade einmal 100 Jahren (1914-1918), also vor nur 4 bis 5 Generationen, tobte dieses Gemetzel durch Europa. Zwei meiner Urgroßväter haben diesen Irrsinn mit ihrem Leben bezahlt. Der eine war gerade 30, der andere 33 Jahre alt.
Und nun seht Euch die Welt im Jahr 2016 an… und vergleicht sie mit der Welt von 1916… Die wirtschaftlichen, politischen und geschichtlichen Parallelen sind erschreckend und beängstigend zu gleich.
Das Industriezeitalter hat sein Ende gefunden, wir stecken mitten im Computer-/Informationszeitalter und die Märkte werden wieder einmal neu aufgeteilt…
So wie mit dem Übergang vom Agrar- zum Industriezeitalter viele Wirtschaftsbereiche, Handwerkszweige und Berufe einfach überflüssig wurden, vor dem Ende standen, oder extrem ausgedünnt wurden (Korbmacher, Weißgerber, Färber, Stellmacher, Sattler, Müller, Pliesterer/Klätscher, Dorfschmied, Bürstenmacher/Pinselbinder, Melker, Eismann, Bierkutscher, Kohlenmann, Milchmann, Ziegelbrenner, Tante-Emma-Läden u.u.u.), genauso findet jetzt wieder eine wirtschaftliche Ausdünnung statt.
Man spricht dabei emotionslos von Marktbereinigung und Marktanpassung.
Die Großindustrie hat diesen Prozeß bereits hinter sich, durch die Auslagerung der Produktion in s.g. Billiglohnländer.
Nun könnte man es sich ganz einfach machen und sagen, daß BOSCH böse und unsozial ist, weil ein Großteil der Produktion in Deutschland eingestellt und bspw. nach China ausgelagert wurde...
Aber was wäre geschehen, wenn BOSCH, als globaler Player, diesen internationalen Markttrend nicht mitgegangen wäre? Gäbe es BOSCH, in der Form, als völlig unabhängige GmbH, dann heute noch?
Würde der „Geiz ist geil-Kunde“ einen, in Deutschland hergestellten 10,8 Volt BOSCH-Akkuschrauber, für ca. 400,- € eher kaufen, als einen vergleichbaren, nur ca. 120,- € teuren Akkuschrauber eines Mitbewerbers, welcher allerdings zu dem Preis nur in China hergestellt werden kann…? (Die Preise habe ich jetzt, zur Versinnbildlichung, nur frei aus der Luft gegriffen.)
Die Antwort kennen wir alle und jeder von uns sollte bei solchen Fragen mal kurz innehalten und in sich gehen.
Und ja, ich will hier nicht den Moralapostel spielen, auch ich kaufe seit ca. 2 Jahren zunehmend im Internet und dies nicht ausschließlich eines Schnäppchenpreises wegen. Es ist für einen Berufstätigen einfach bequem, sich nicht extra auf den Weg machen zu müssen, sondern sich zu Hause, mit einem Käffchen kurz vor den Computer zu setzen und unabhängig von Ladenöffnungszeiten, Wetter, Verkehrsstaus und anderen Unwägbarkeiten, sein Zeugs online zu bestellen.
Und wenn der eine Onlinehändler das gewünschte Produkt nicht liefern kann, liefert es eben ein anderer Händler und dies alles meist innerhalb von 48, mitunter sogar 24 Stunden.
Was ist aber nun mein ganz persönliches Résumé aus Handwerkersicht?
BOSCH hat im Bereich blaue Profiwerkzeuge Jahrzehnte lang auf die Fachhändler gesetzt und diese auf BOSCH. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen zum Vorteil für beide Seiten.
Die Fachhändler haben vom Qualitätsimage BOSCH und BOSCH von der Beratungskompetenz der Händler partizipiert.
Das BOSCH-Produktprogramm war, im Verhältnis zu heute, relativ übersichtlich, der s.g. SYSTEMGEDANKE noch verinnerlicht und viele Zubehör- und Ersatzteile konnten über Jahre und Jahrzehnte, auch bei der nächsten und übernächsten Gerätegeneration noch verwendet werden.
Das vorzuhaltende Warenangebot der Händler ließ sich in normalen Ladengeschäften, mit 50-150 Quadratmetern Verkaufsfläche, ohne größere Probleme unterbringen und die Neuerungen, also die Generationswechsel der Geräte waren moderat. Es war immer genügend Zeit vorhanden, die alten Bestände abzuverkaufen, bevor die neue Generation eintraf.
Es gab, vor dem Internet, eine unverbindliche Preisempfehlung und zu diesem (Fest)Preis wurden die Geräte verkauft, egal ob in München, Flensburg, Essen oder seit 1990 in Cottbus, Rostock, Dresden.
Bei Abnahme mehrere Geräte konnte mitunter ein kleiner Mengenrabatt ausgehandelt werden, aber ansonsten lief das Geschäft ruhig und besinnlich vor sich hin.
Und dann kam das Internet… Um in der Sprache der Evolution zu sprechen: die bestehenden Lebensumstände der Hersteller und Händler begannen sich langsam aber stetig zu verändern.
Manche erkannten dies, andere nicht. Manche reagierten durch Anpassung, andere nicht.
Die Marktbedingungen wurden immer rauer und sie verschärfen sich jetzt immer weiter.
Wie im Fach Geschichte üblich, hinterher läßt sich alles haarklein beurteilen, beschreiben und klug gaggern.
In dem Moment, wo der Mensch aber in der sich verändernden Situation drinsteckt, von der er ja noch gar nicht weiß, wohin die Reise geht, ist es extrem schwer, die richtige, zukunftsfähige Entscheidung zu treffen.
Heute wissen wir, daß die Fachhändler, die den Mut hatten, zu investieren, ihre Läden zu vergrößern und
gleichzeitig einen professionellen und leistungsstarken Internethandel aufbauten, immer noch gut im Markt positioniert sind.
Die kleinen Läden, die dem Trend nicht folgten, nicht folgen konnten oder wollten und auf traditionelle Weise versuchten weiter zu machen, brechen, wenn sie in ihrer Region nicht noch ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal besitzen, rasant weg und gehen vor die Hunde.
Die ganz großen Gewinner sind die reinen Internethändler, welche sich Lastzugweise die Ware einkaufen. Mit dem Begriff vom „Verrammschen“ der BOSCH-Produkte gehe ich da sehr vorsichtig um, denn es ist nun mal deren ureigenste Geschäftsstrategie, die alle Großen seit Jahrhunderten befolgen: Billig in Masse aufkaufen und billig in Masse mit Gewinn weiterverkaufen. Das ist der Lauf der Welt und gleichzeitig das Handelsblut der Welt, welches den Kreislauf am Bestehen hält.
Es ist ganz einfach das brutale Gesetz des freien Marktes, dem sich jeder unterwirft, wenn er da mitspielen und Profit erwirtschaften will, egal ob einem das persönlich gefällt oder nicht.
Wem es nicht gefällt oder wer das ändern will, muß sich mit anderen zusammentun und Revolution machen. Das wiederum führt dann zu zentral gesteuerten Märkten durch den Staat und bolschewistischen Produktionsverhältnissen wie in der DDR oder heute noch in Nordkorea. Also am Ende auch nicht wirklich das Gelbe vom Ei…
Die beiden Partner, BOSCH und der BOSCH-Fachhandel, haben es, so meine begrenzte Handwerker-Sicht heute, vor 10-15 Jahren versäumt, sich zusammen zu setzen und eine gemeinsam tragfähige Zukunftsstrategie zu entwickeln.
Inzwischen ist BOSCH-Blau in der Fläche der Bundesrepublik Deutschland immer weniger vor Ort präsent. Diese Erkenntnis ist wohl inzwischen auch in den BOSCH-Führungsetagen angekommen und nun, ich nenne es mal 5 vor 12, wird versucht, aus der Position der Stärke heraus, im wahrsten Sinne des Wortes, wieder Boden gut zu machen, indem man die Baumärkte als zusätzlichen Vertriebsweg auf den Plan ruft.
Es hat natürlich, wie der Schwabe sagt, etwas Gschmäckl, denn es erweckt den Eindruck, daß BOSCH seinen letzten treuen Fachhändlern, das immer spärlicher fließende Wasser damit ganz abgräbt….
Aus reiner BOSCH-Sicht ist dieser Weg sicher im Moment der einzig gangbare, um vor Ort, also im stationären Handel, wieder vermehrt präsent zu sein, denn der klassische Fachhandel ist tot. Ob wir das nun wollen oder nicht, er ist tot.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang, an den von mir hochgeschätzten Carsten Rödl, dessen offene und ehrliche Meinung zu diesem Thema, mich jetzt wirklich brennend interessieren würde.
Leider werden wir sicher vergeblich auf einen Beitrag vom ihm warten, leider.
Ob BOSCH-Blau mit dem geplanten Schritt in die Baumärkte das Richtige tut… ich weiß es nicht und ich maße mir eine abschließende Beurteilung auch nicht an.
Vielleicht stellt sich in einigen Jahren heraus, daß es marktstrategisch genial war, vielleicht endet es auch im Fiasko.
Wir werden es sehen.
In diesem Sinne, beste Grüße aus Mitteldeutschland.
EHRE, DEUTSCHES VOLK UND HÜTE, TREULICH DEINEN HANDWERKSSTAND. ALS DAS DEUTSCHE HANDWERK BLÜHTE, BLÜHTE AUCH DAS DEUTSCHE LAND. HANS SACHS