Kapitel 89: KopfsacheDen wahren Wert einer Sache erkennt man erst, wenn sie nicht mehr da ist. Das beste Beispiel dafür ist Klopapier.
Am Anfang war der Ixo.
Nein, es war nicht der Ixo, aber eigentlich sollte er es sein.
Nach meinen ersten drei eigenen Akkuschraubern, dem allerersten, für den sich selbst chinesische Gewohnheitspfuscher in Grund und Boden schämen würden, dem zweiten aus nem Discounter und dann dem dritten, dem allerdings meiner Meinung nach ersten 'richtigen' Schrauber, einem grünen 12-Volt Bosch, wurde mein Blick auf den damals neu erschienenen Ixo gleichermassen gelenkt wie lüstern.
Schien ja auch wie die Offenbarung eines Schraubers schlechthin zu sein, mit all dem Luxus wie Licht, dass man, also ich, bis dato gar nicht kannte.
Natürlich wurde das nichts mit dem Ixo, nicht wenn man online Preise vergleicht und plötzlich über ein Produkt stolpert, das irgendwie noch viel leckerererer erscheint, dem allerersten GSR 10,8 V-LI.
Nein, auch dieser wurde nicht mein erster blauer Schrauber, mit nur wenigen Tagen Vorsprung wurde es der damals brandneue GWI 10,8 V-LI.
Aus heutiger Sicht ein mehr als schlappes Teil, sehr wenig Kraft, nur ein langsamer Gang, kein Lämpchen, eine Drehmomenteinstellung die irgendwie sehr eigenwillig funktioniert, ein Bithalter, der Kurzbits zu kurz kommen lässt, und die Links/Rechtseinstellung:
Kürzlich berichtete ich ja schon an andere Stelle, dass diese Links/Rechtsumschaltung bei mir den Verdacht weckte, frühzeitig an Demenz zu leiden. Man schaltet in die vermeintlich richtige Position, setzt an, der Schrauber läuft falsch rum. Na gut, hatte man halt mal kurz nen Aussetzer, also umgeschaltet. Moment mal, der war doch richtig rum eingeschaltet?
Es hat tatsächlich eine Weile gedauert bis ich rausfand, dass die Laufrichtung des Schraubers nicht immer mit dem Richtungsschalter konform ging, ein Umstand, mit dem ich im weiteren Verlauf sowohl leben musste als auch konnte.
Und irgendwann kam es, wie es kommen musste:
Die Nachfolger kamen auf den Markt, in vielen Belangen auf dem neuesten Stand der Technik, mehr Kraft, 2 Gänge, mit Bohrfutter, sogar mit Licht, aber natürlich keine Winkelschrauber, die GWB 10,8 V-LI als reine Winkelbohrmaschine und damit als Schrauber unbrauchbar jetzt mal ausgenommen.
Es war ein Beitrag in diesem Forum über diesen GWI 10,8 V-LI, der in mir nicht nur Erinnerungen wach rief, sondern mich auch veranlasste, dieses vergessene Kleinod nochmal hervorzuholen, denn ja, er wird immer noch gebraucht.
Schon damals, in der Anfangszeit, als die mangelhafte Leistung angesichts der damals ähnlich starken handelsüblichen Schrauber noch kein Kriterium war, da wusste ich die doch recht vielen Vorzüge des GWI 10,8 V-LI wirklich zu schätzen. Nicht immer stand, lag oder kniete man in optimaler Position, schon gar nicht wenn man oben auf einer Leiter stand, aber der GWI mit seinem verstellbaren Kopf glich vieles aus, machte ein ergonomisches Arbeiten an besonders blöden Stellen nicht nur angenehm, sondern überhaupt erst möglich, hatte er doch bei ausgestrecktem Arm eine etwas grössere Reichweite als herkömmliche Schrauber, und auch die verschiedenen Winkelpostionen kamen öfter zum Einsatz als erwartet.
Als Stabschrauber konnte ich damit Messingschlitzschrauben präzise und zerstörungsfrei versenken, ein (fast) unmöglicher Auftrag für jeden normalen Schrauber, ganz zu schweigen von dem Vorteil des geringen Kopfmaßes bei echt engen Stellen.
Aber es waren dann ausgerechnet eben jene enge Stellen, bei denen der GWI 10,8 V-LI nochmal (ungewollt) das Sahnehäubchen draufsetzen konnte:
Schon beim ersten Gebrauch offenbarte sich die Problematik mit den Kurzbits, die fast vollständig von der Bitaufnahme verschluckt werden und nur noch mit einer Spitzzange wieder entnommen werden können, aber moment mal:
Ein itze-bitze kleines bisschen schaut der Bit noch heraus, und tatsächlich: Mit einem Kurzbit kann man tatsächlich Schrauben bündig versenken, die vordere Hülse des Bithalters setzt pünktlich auf, verhindert ein weiteres Versenken, dreht sich aber nicht mit, so dass auch empfindliche Oberflächen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden und das Kopfmaß reduziert sich erheblich.
Wow. Ich bin mir zwar sicher, dass diese 'Feature' nicht mit Absicht eingebaut wurde, aber ich weiss es zu schätzen, eigentlich weiss ich den Schrauber an sich zu schätzen, und jetzt gerade ärgere ich mich ein wenig, denn aktuell werden über 80 qm Deckenpaneele verschraubt, jawoll ja, verschraubt, ich hasse diese kleinen Piss-Nägelchen, und mein Daumen hasst die noch mehr, also wurden anderhalbtausend Schrauben 2,5 x 16 besorgt, und jetzt erst, nachdem die ersten 20 qm unter der Decke hängen, werde ich durch dieses Forum an den GWI 10,8 V-LI erinnert, und dass es mit ihm in seiner Eigenschaft als Stabschrauber doch viel einfacher und ergonomischer geht.
Pech für den GWI: Da wo der allererste GSR 10,8 V-LI in den Sonnenuntergang geritten ist und seinen wohlverdienten Ruhestand geniesst, da wird der GWI so schnell nicht landen, vor uns beiden, ihm und mir, liegen noch viele Aufgaben und (hoffentlich) aufregende Abenteuer.
Die Farbe meiner Werkzeuge ist mir egal, solange sie blau sind^^