Moin
Ich stamme aus einer Reetdachdeckerfamilie, Betrieb gibts lt. Chronik seit 1860 ungefähr.
Habe selbst noch nie Reetdecken versucht, weil keine Lust dazu.
Kurz erklärt:
Dachreet wird ca. 50cm dick auf die Dachlatten ausgelegt und dann alle 10cm mit Nirodraht (1mm) vernäht, früher Kunstoffumantelten Draht, davor verz. Draht, davor Kokosgarn.
Von draussen wird die Nadel nach innen gesteckt, innen sitzt ein Ausstecher, meist Helfer, der die Nadel reinzieht , den Draht mit Zange strämmt und die Nadel zurücksteckt. Fachausdruck dafür: Ausstechen.
Dazu musste innen Gerüst gebaut werden, Innenausbau falls vorhanden kompl. entfernt werden, war so, ist so, wurde immer so gemacht, anders gehts nicht, niemals, so mein Vater.
Ab ca 1980 wo die Arbeit knapper, die Kredite teurer und die Kunden kostenbewusster wurden kam die Nordfriesische Methode: Rundnadel.
Mit der Rundnadel fummelte man den Draht um die Latte herum, der Ausstecher konnte zum Arbeitsamt gehen, Gerüst innen unnötig, Innenausbau konnte bleiben, M2-Preis sollte gehalten werden.
Zuerst konnte keiner der älteren Dachdecker mit der Rundnadel arbeiten, geht nicht, haben wir noch nie so gemacht, unsinnig, kopfschüttel,mein Vater schaffte das erst viele Jahre später, die jüngeren frisch angefangenen Dachdecker hingegen begriffen das sofort und es klappte super.
Bei der Rundnadel muss ein gewisser Freiraum zw. Dachlatte und Innenausbau sein, sonst gehts nicht, bei Dämmungen wird das auch nichts, da immer mehr gedämmt wurde ging die Rundnadelmethode dann ins Aus.
Was nun??
Der Reetzulieferer, die Vertreter und andere Dachdecker "sabbelten" was von "Akkuschrauber", da fiel meinem Alten nichts mehr ein, AKKUschrauber auf REETDACH??
Die jüngeren hingegen waren ganz Ohr,....AKKU...SCHRAUBER??? Geil!!
Das war Anfang der 80iger noch was ganz Neues.
Haben wir noch nie gemacht, geht nicht, alles Quatsch und Blödsinn so mein Vater, aber es sollte und musste ja weitergehen und seine altbackenen Methoden von früher musste er schon öfter ablegen, als was solls.
Schraubmethode:
Reet wird auf Lattung gelegt und nach wie vor alle 10cm mit Nirodraht "befestigt".
Dazu wird auf dem noch losen Reet ein 8er Moniereisen in Lattenrichtung gelegt um das sich dann der Draht umlegt:
Der Draht besteht aus 2 Enden zu je ca. 60cm Länge und unten ist eine Spaxschraube werkseitig dran. Dieses Bündel wird durch das Reet bis zur Latte gestochen und dann mit Akkuschrauber verschraubt, Bithalter ist ca 70cm lang, Sonderanfertigung.
Nun schauen oben am Moniereisen 2 Nirodrahtenden heraus die dann unter festem Kniedruck verdreht werden.
Dach fest, vom Kokostau bis zum Akkuschrauber einmal erklärt.
Ich wollte euch mal aufzeigen wie das so mit der Technik und der Zeit und dem Verständnis so gehen kann.
Übrigens waren die ersten Akkuschrauber von Bosch Blau, 9,6ves oder so, davon wurden mehrere angeschafft, für jede Kolonne einen.
Diese Methode ist bis heute aktuell, ohne Akkuschrauber braucht kein Reetdachdecker mehr ausrücken.
Gruss Willy