Kapitel 94: Exzentrische Allüren'Leihst du mir mal deinen Bandschleifer aus?'
Wenn dir deine handwerklich eher unbegabte bzw unerfahrene Nachbarin eine solche Frage stellt, dann schiessen einem nur zwei Dinge durch den Kopf:
Erstens: Was zur Hölle hat sie vor?
und zweitens: Kann ich ihr mit einem Werkzeug aushelfen, dass im Zweifel entbehrlich wäre, also nicht einen meiner beiden GBS? Zweiteres wäre in diesem Fall kein Ding, ein alter Bandschleifer eines Mitbewerbers wäre da noch verfügbar gewesen.
Es sollten zwei Gartenbänke in ihrem Hofladen wenige Kilometer entfernt aufgehübscht werden, bei beiden hatte der Zahn der Zeit in Verbindung mit einer gewissen Nachlässigkeit bei der Pflege zum einen das Erscheinungsbild stark getrübt, zum anderen waren beide Bänke auf der Sitzfläche unangenehm rau, daher sollte es hübsch und glatt werden.
Also ein Bandschleifer.
Sie hätte schonmal was abgeschliffen, so die Nachbarin, damals, mit irgendeinem Werkzeug, stundenlang, ohne wirklich erkennbaren Fortschritt, daher ihre Frage nach einem Bandschleifer, von dem sie sich einen schnelleren Arbeitsfortschritt versprach.
Natürlich lief es auf die dritte Option hinaus, die beste Lebensgefährtin von Allen schlug mir vor, dass ich mich lieber selbst der Sache annehmen sollte, und ich, ja, ich liess den Bandschleifer da wo er war, denn ich hatte so das Gefühl, dass der GEX 150 Turbo vielleicht doch die bessere Wahl wäre.
Nun denn, den GEX 150 Turbo nebst Staubsauger und der L-Boxx mit den Schleifscheiben am nächsten Morgen unter den Arm geklemmt und ab zum Hofladen. Es ist halt immer schwierig wenn man den Sachverhalt anhand von Beschreibungen einschätzen muss, aber zumindest bei der einen Sitzbank erwies sich der GEX als goldrichtig. Da man nie genau wissen kann, wie sich das Holz verhält, fange ich gerne erstmal mit einer etwas feineren Körnung an, aber schnell wurde mir klar, dass hier eher Körnung 40 und Stellung Grobschliff das Gebot der Stunde war.
Klar war mir auch was dann kam:
Der GEX 150 Turbo hat in einem gewissen Kontext so ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal, nämlich die Reaktion von Nichthandwerkern, die bisher nur gewöhnliche Schleifer kannten und das Ding zum ersten Mal in Aktion sehen. Mal wieder war das Erstaunen gross, als plötzlich so ein eigentlich gewöhnlicher Schleifer im ersten Schleifgang so richtig Ramba Zamba machte, mit einem Arbeitsfortschritt, der alles bisherige weit hinter sich lassen konnte.
Nur wenige Minuten, und der erste Schleifgang war fast abgeschlossen, da explodierte was im Gerät und ein kleines Rauchwölkchen kam aus dem hinteren Teil der Maschine, die spontan jegliche Arbeit sofort einstellte.
Aber kein Grund zur Panik, wie sich später herausstellte lag ich mit meiner spontanen Einschätzung richtig und lediglich der Endstörkondensator hatte sich verabschiedet. Ich denke bei einem biblischen Alter von ca 15 Jahren durfte der das auch.
Und wie immer konnte ich das Beste aus der Situation machen, ich überredete die Nachbarin, beide Bänke zu mir nach Hause zu bringen, da ich dort über die notwendigen Ressourcen an Werkzeug und Material verfüge, denn ich hatte noch so einiges an notwendigen Arbeitsschritten erkannt, die sich so vor Ort schlecht realisieren liessen.
Und gleichzeitig nahm ich die Gelegenheit war, den Reparaturservice von Bosch in Anspruch zu nehmen:
Jeder, der schonmal ein Gerät eingeschickt hat, wird sich erinnern, wie angenehm unkompliziert der ganze Vorgang ist, und trotz des Hinweises auf der Homepage, dass es aktuell aufgrund von hohem Arbeitsaufkommen zu Verzögerungen bei der Abwicklung kommen kann, hatte ich den Schleifer erstaunlich schnell wieder zurück. Für die Abwicklungsmodalitäten und die Bearbeitungsgeschwindigkeit gibts also mal von mir die Bestnote.
Und nun schauen wir mal:
Japp, der Kondensator.
Ausserdem wurden die Kohlen gewechselt. Wenn ich überlege, was ich mit dem Ding schon alles gemacht habe, sollte dies keine Überraschung sein.
Und die Netzanschlussleitung. Tja. Da war mal eine kleine Beschädigung am Netzkabel, dass ich mit Isoband geflickt hatte. Natürlich konnten die das so nicht durchgehen lassen.
Also alles gut. Fast alles.
Die Bänke waren ja noch nicht fertig, also den GEX wieder an die Front geschickt. Und dann merkte ich auch, wie der Einsatzbereich des Schleifers drastisch eingeschränkt war, und zwar wörtlich:
Es war ein 2 1/2 Meter Anschlusskabel verbaut.
Nein.
Das gibts doch nicht.
Also, fest steht, dass das Gerät ursprünglich mit einem 4 Meter Kabel ausgeliefert wurde. Ein Blick in die Explosionszeichnung offenbarte, dass da aktuell wirklich nur dieses Stummel-Dingens vorgesehen ist.
Irgendwie drängt sich mir der Vergleich mit einem Porsche 911 auf, bei dem man aus Kostengründen nen 5 Liter Moped Tank verbaut. Kann man machen, ist aber doof.
Und dieses Kabel ist nicht nur doof, es ist ein ultimatives No Go. Dieses Kabel wird nicht an dieser Maschine bleiben.
Also, Reparatur mit allem Drum und Dran (ausser doofes Kabel) war vorbildlich, und der GEX (und einige seiner Kollegen) hat dann im Anschluss dafür gesorgt, dass beide Bänke weitaus hübscher als im Originalzustand waren, und die Begeisterung meiner Nachbarin gipfelte in folgenden Dialog:
'Die Bänke sind ja so schmusig glatt geworden, da kann man sich ja sogar bedenkenlos mit einer Feinstrumpfhose drauf setzen.'
'Also das würde ich nicht tun.'
'Und warum nicht?'
'Weil so eine Feinstrumpfhose an mir verdammt blöd aussehen würde.'
...
Die Farbe meiner Werkzeuge ist mir egal, solange sie blau sind^^